Geschichte
Im Jahr 2018 reifte bei den Transplantationsbeauftragten des Evangelischen Klinikums Niederrhein (EVKLN) die Überzeugung, dass nicht nur eine rückblickende Identifikation potentieller Organspender mit Hilfe des Programms TransplantCheck der DSO, sondern ebenso eine prospektive, automatisierte Meldung entsprechender Fälle noch während ihres Aufenthaltes auf Basis von Routinedaten erstrebenswert sei.
Zunächst entstand ein Modul namens "TransplantAct", das stündlich die im Krankenhausinformationssystem (KIS) "ORBIS" des Herstellers Dedalus verfügbaren, ICD-codierten Diagnosen von auf Intensivstationen behandelten, beatmeten Patienten durchsuchte und – analog zu "TransplantCheck" – jene Personen per E-Mail meldete, bei denen Einschlussdiagnosen, jedoch keine Kontraindikationen vorlagen. Weitere Benachrichtigungen folgten ggf., sofern im Verlauf zusätzliche Einschlussdiagnosen dokumentiert wurden (bspw. im Sinne einer Verschlechterung des Status).
Nach einer Fachtagung im Jahr 2019, in deren Verlauf das System vorgestellt wurde, veranstaltete die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) einen Workshop, um einen breiten Einsatz von "TransplantAct" zu erörtern. Seitens des EVKLN wurde angeboten, die Software so weiter zu entwickeln, dass eine Verwendung unabhängig vom jeweiligen KIS und mit minimalem Aufwand für die interessierten Häuser möglich wird. Die gleichzeitige Erweiterung des Funktionsumfanges würde die Nutzung weiterer Daten wie bspw. Befundtexte, Mess- bzw. Laborwerte und Vitalzeichen zur Identifikation möglicher Kandidaten gestatten.
Anschließend sollten Piloteinrichtungen gewonnen werden, in denen das "neue TransplantAct" installiert und in Betrieb genommen wird, um etwaige Hindernisse erkennen und die mit einer solchen Implementierung einhergehenden Aufwände abschätzen zu können.
Aktueller Stand
Mittlerweile ist das fortentwickelte "TransplantAct" einsatzbereit. Es besteht aus einer virtuellen Maschine, die ausschließlich mit freier Software bestückt ist: mit dem Betriebssystem Debian-Linux, dem relationalen Datenbank-Management-System PostgreSQL, dem Mail Transfer Agent Postfix, der Java-Laufzeitumgebung OpenJDK und der "TransplantAct"-Applikation im engeren Sinne.
Das System wird in Gestalt eines komplett konfigurierten Image zur Verfügung gestellt. Nach seiner Inbetriebnahme in einer Virtualisierungsumgebung (bspw. VMware) bedarf es im Idealfall keiner weiteren Pflege - mit Ausnahme der jährlichen Aktualisierung des hinterlegten ICD-Katalogs, die mit Hilfe eines speziellen Programms ("Updater") vorgenommen wird.
Die Installation sicherheitsrelevanter Updates erfolgt vollautomatisch.
Auf etwaige Probleme (Netzwerkstörungen o.ä.) wird per E-Mail hingewiesen.
Zur Erkennung potentieller Organspender werden neben den ICD-codierten Diagnosen nun auch Befundtexte, Messwerte (CPP, ICP), Laborparameter (NSE, Natrium) und Vitalzeichen (bspw. Glasgow Coma Scale / GCS und Pupillenstatus) berücksichtigt.
Zusätzlich ist ein sog. AKI-Sentinel integriert, der optional Fälle drohender Nierenschädigung meldet.
Auf Wunsch können zudem Daten von Sterbefällen an die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation übermittelt werden.
Wird eine weitgehende Pseudonymisierung gewünscht, kann die Übernahme personenbezogener Attribute (Nachname, Vorname, Geburtsdatum) und/oder die Übermittlung dieser Angaben in den von TransplantAct verschickten Nachrichten unterbleiben.
Alternativ kann der Versand der personenbezogenen Daten in Gestalt von 256-Bit-AES-verschlüsselten, passwortgeschützten PDF-Dateien erfolgen. Die E-Mails enthalten dann im Betreff bzw. im Text keinerlei schutzwürdigen Angaben mehr, alle relevanten Informationen befinden sich im abgesicherten PDF-Attachment (Screenshots). Diese Option kann bspw. genutzt werden, wenn der Versand von TransplantAct-Nachrichten nicht innerhalb eines vollständig selbst kontrollierten E-Mail-Systems erfolgen soll oder kann.
Mit Hilfe der TransplantAct-HL7-MDM-Schnittstelle können die abgesetzten Meldungen in Gestalt von medizinischen Dokumenten (PDF) in den Datenbestand des jeweiligen KIS integriert werden. Die verfügbare Web-Oberfläche bietet u.a. Zugriff auf eine jederzeit aktuelle Darstellung der detektierten Fälle.
Im EVKLN werden bzw. wurden erfolgreich 2 "TransplantAct"-Instanzen betrieben, die an je eine "ORBIS"- und eine "iMedOne"-Installation gekoppelt waren. Da "iMedOne" zwischenzeitlich durch ORBIS abgelöst wurde, wird die ORBIS-gebundene Instanz für beide Einrichtungen des Verbundes benutzt.
Ausblick
Derzeit werden Pilothäuser rekrutiert, die "ORBIS" oder "iMedOne" benutzen und bereit sind, eine startfertig vorkonfektionierte "TransplantAct"-Instanz in Betrieb zu nehmen (Krankenhausinformationssysteme anderer Hersteller werden folgen!). Hierfür fallen keine Kosten an.
Die während dieser Phase gesammelten Erfahrungen dienen der Abschätzung des Aufwandes, der mit einer flächendeckenden Ausbringung von "TransplantAct" verbunden ist. Unter Berücksichtigung dieser Daten wird eine öffentliche bzw. institutionelle Finanzierung des Projekts angestrebt, die mit einer Veröffentlichung des Quellcodes als open source einhergehen würde.
Danksagung
Das für die Implementierung der Linux-Basis notwendige Expertenwissen hat Daniel Tepas beigesteuert. Ohne seine wertvolle Hilfe wäre weder die Entwicklung von TransplantAct noch die Etablierung dieser Homepage möglich gewesen.
Das gesamte Projekt geht auf eine Idee von Dr. med. Hilal Yahya zurück.